Alopezie beim Hund kann viele Ursachen haben. Sie kann z. B. sekundär durch Auskratzen oder Auszupfen von Haaren bei entzündlichen Hautveränderungen mit Pruritus entstehen. Daneben gibt es zahlreiche nicht entzündliche Ursachen für Haarausfall:
- Angeborene oder erworbene Gendefekte: kongenitale Alopezien, Hypotrichie, follikuläre Dysplasien (z. B. Farbmutantenalopezie), Alopecia X und Schablonenkrankheit (pattern baldness)
- Unterbrechung des Haarzyklus: bei Endokrinopathien, anagenes und telogenes Effluvium und post-clipping Alopezie
- Klinisch keine Entzündung erkennbar, aber dennoch ein entzündlicher Ursprung: Alopecia areata, ischämische Dermatopathien/Vaskulitis, vernarbende Alopezie, Traktionsalopezie
Eine dieser Erkrankungen, die Farbmutantenalopezie (syn. Colour Dilution Alopecia [CDA], Colour Mutant Alopecia [CMA], Blue Dog Disease oder Blue Doberman Syndrom) gewinnt zunehmend an Bedeutung.
In Hundezuchten werden vermehrt Fellfarben beobachtet, die sich bei vielen Hundebesitzerinnen und -besitzern großer Beliebtheit erfreuen, die aber nach dem FCI-Standard der jeweiligen Rasse als unerwünschte Farbe gelten. Von den FCI-assoziierten Zuchtverbänden werden diese Farbschläge in der Regel als Fehlfarbe eingestuft, daher werden sie außerhalb dieser Verbände gezüchtet. Zunehmend sind die Rassen Labrador Retriever (charcoal und silver, Abbildung 1), Französische Bulldogge (blau) sowie Chihuahua, Prager Rattler und der American Staffordshire Terrier (Abbildung 2) betroffen. Bei den drei letzten sind Farbdilutionen nach FCI-Standard anerkannt. Die meisten Welpenkäuferinnen und -käufer sind ahnungslos, dass gerade diese Fellfarben den Hund in seinem Leben oft in die Tierarztpraxis führen können.
Den Farbschlägen blau (charcaol) und lilac (silver) liegt eine Farbverdünnung (Dilution) zugrunde, die oft mit der Farbmutantenalopezie vergesellschaftet ist. Diese Erkrankung geht mit progressiver Alopezie einher und wird durch eine Veränderung der Pigmentbildung und -einlagerung in das Haar verursacht. Verantwortlich ist eine genetische Variante des Dilute-Gens. Dilute heißt im englischen Sprachgebrauch „Verdünnung“. Gemeint ist die Verdünnung von schwarzen zu blauem bzw. von braunem zu lilac Pigment. Durch die veränderte Lichtbrechung wird ein aufgehellter (dilute) Farbeindruck hervorgerufen (schwarz wird zu blau, braun zu lilac).
Klassischerweise ist die CDA insbesondere beim Blauen Dobermann bekannt.
Klinik: Die ersten Anzeichen einer CDA können als spärlich behaarte Ohren und Ruten sowie als insgesamt schüttereres Fell (als sonst bei der jeweiligen Rasse üblich) bereits beim Welpen auftreten. Mit wenigen Monaten kann sich die CDA durch progressive Alopezie am Rumpf manifestieren. Klinisch zeigen sich Haarverlust oder Hypotrichie bei vorzugsweise jungen Tieren (3 – 12 Monate alt) prädisponierter Rassen. Selten gibt es auch Fälle, bei denen sich die Alopezie später entwickelt. Die Veränderungen schreiten mit zunehmendem Lebensalter fort. Nahezu pathognomonisch sind alopezische dilute-farbene Bereiche neben unpigmentierten oder neben mit Phäomelanin (gelblichem Pigment) pigmentierten behaarten Bereichen. Hunde mit Farbmutantenalopezie neigen zu bakteriellen Sekundärinfektionen (z. B. Follikulitiden und Furunkulose, Abbildung 6). Diese Hunde leiden oft lebenslang an immer wiederkehrenden Hauterkrankungen.
Pathogenese: Die CDA geht mit einer Farbverdünnung einher, die als Dilution bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine rezessive Genvariante des Gens MLPH, die in homozygotem Genotyp (d/d) zu einem Defekt des Melanosomen-Transports vom Zentrum der Zelle in die Peripherie und in der Folge zur Verklumpung der normalen Melaningranula führt (Abbildung 4 und 5). Es kommt damit zu einer fehlerhaften Haarstruktur. In der Folge brechen diese Haare leicht.
Diagnose: Die Diagnose einer Farbmutantenalopezie basiert auf der Kombination des klinischen Bildes einer Alopezie, eventuell der Haarmikroskopie und der Histopathologie. Im Trichogramm fallen viele große Melaninverklumpungen im Cortex und in der Medulla der Haare mit Defekten und Frakturen der Haarkutikula auf. Histopathologisch zeigen sich eine epidermale und follikuläre Hyperkeratose. In der Epidermis können Verklumpungen der epidermalen Melanozyten zu finden sein, ferner dysplastische Haarschäfte mit irregulärer Pigmentierung, Pigmentverklumpungen in der Haarfollikelmatrix, Melaninablagerungen in allen Stufen der Haarfollikel und –schäfte, zahlreiche perifollikuläre und peribulbäre Melanophagen und Pigmentinkontinenz (Abbildung 4).
Therapie: Die CDA ist nicht heilbar, es kann lediglich das klinische Bild durch Bekämpfung von Sekundärinfektionen (insbes. Pyodermien) verbessert werden. Die Fütterung hochwertiger Fettsäuren kann zu einer Verbesserung des Haarkleides führen, das Nachwachsen der Haare kann dadurch allerdings nicht beeinflusst werden. Durch Gabe von Melatonin kann in manchen Fällen das Haarwachstum wieder angeregt werden, jedoch nur für die Dauer der
Medikation. Eine Melatoningabe muss aber immer nach Risikoabschätzung erfolgen, besonders bei Hunden vor Erreichen der Geschlechtsreife sowie bei tragenden und säugenden Hündinnen und Patienten mit Leber- und Nierenerkrankungen. Der Zuchteinsatz von Hunden mit CDA sollte generell unterbleiben.
Genetische Tests: Nicht jeder Hund mit Dilution entwickelt eine CDA, es scheint ein rassespezifisches Risiko vorzuliegen. Der Weimaraner klassischer deutscher Zuchtrichtung ist ausschließlich dilute braun (also lilac), CDA scheint in diesen Zuchtlinien keine Rolle zu spielen. Ähnliches gilt für den blauen Farbschlag der Deutschen Dogge. Beim Dobermann wiederum war der Anteil an dilute Hunden mit CDA so hoch, dass der Farbschlag Blau aus dem FCI-Rassestandard gestrichen wurde.
Ob ein Hund mit Dilution an CDA erkranken wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht per Gentest vorhersagen. Es gibt zwar Gentests auf die drei bislang testbaren Varianten des Allels d (d1, d2 und d3, aber (noch) keinen Gentest, der zwischen ” dilute ohne CDA” und ” dilute mit CDA” unterscheiden kann. Weitere, bislang noch nicht per Gentest identifizierbare Varianten werden vermutet. Die Wildform D(N) verhält sich dominant, was bedeutet, dass alle Hunde, die ein dominantes Allel D(N) haben, phänotypisch eine nicht verdünnte Fellfarbe aufweisen. Werden aber zwei Hunde mit dem Genotyp D/d (N/d) verpaart, kann es zu Nachkommen mit dem Genotyp d/d kommen. Diese weisen eine verdünnte Fellfarbe auf, weil sie keine normalen Pigmentkörnchen bilden, sondern nur kleinere, die miteinander verklumpt sind. Für Züchter von CDA betroffener Rassen ist wichtig, mittels Gentest unter den Elterntieren die d-Allelträger zu identifizieren. Eine CDA kann derzeit nur histologisch mittels Hautbiopsie diagnostiziert werden.
Dr. Barbara Gruber, Dr. Anna Laukner
Diagnostische Möglichkeiten zum Nachweis der Dilution:
• D-Lokus d1
• Seltene D-Lokus Varianten (d2, d3)Diagnostische Möglichkeiten zum Nachweis der CDA
• Histopathologische Untersuchung einer Hautbiopsie
Weiterführende Literatur
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Laukner A. Gesundheitsrelevante Fellfarben beim Hund Teil 2. Kleintiermedizin 2/2021, 46 – 50
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Lorente C. Differentialdiagnosen der nicht-entzündlichen Alopezie beim Hund. Laboklin aktuell Ausgabe 05/2022
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Mecklenburg L. An overview on congenital alopecia in domestic animals. Vet Dermatol. 2006 Dec;17(6):393-410. doi: 10.1111/j.1365-3164.2006.00544.x.